Meine Philosophie


Use it or loose it

Der Alltag hat sich in den letzten Jahrzenten so sehr gewandelt, dass unsere Körper nicht mehr hinterherkommen. Wir erleiden Bandscheibenvorfälle beim Briefmarkenaufheben und zerren uns Muskeln, wenn sich mal eine Tür nicht von alleine öffnet. Briefmarken sind heutzutage jedoch lediglich teurer und nicht schwerer, als noch vor ein paar Jahrzenten. Wieso nehmen Rückenbeschwerden trotz immer mehr technischer Unterstützung im Alltag zu? Als Physiotherapeut ist es für mich nicht schwer zu erkennen, dass die Beschwerden nicht trotz der ganzen "Hilfe" zunehmen, sondern wegen dieser. Sie helfen uns so sehr, dass wir - falls dann mal nötig - uns nicht mehr selber helfen können. Wenn ich mir heute im Alter von 27 Jahren als gesunder sportlicher Mensch einen Rollstuhl kaufen und keinen einzigen Schritt mehr gehen würde, nach einem halben Jahr könnte ich es nicht mehr. Studien zeigen, dass beispielsweise Komapatienten in einer Woche 25% ihrer Muskulatur verlieren! Natürlich gibt es einen Unterschied zwischen Koma und Couch-Potatoe, aber ist der wirklich so groß? Fest steht: Use it or loose it! (Nutz es, oder verlier es). Der Körper ist der größte Ökonom, der fieseste Finanzbeamte, den es gibt. Wenn er merkt, dass etwas vom Körper nicht mehr genutzt wird, wird er einen Teufel tun weiterhin Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Wo wir gerade bei Finanzbeamten sind... stellen wir uns einen Staat vor. Dieser Staat finanziert eine enorme Armee, er verbrennt Millionen von Ressourcen um sie zu erhalten. Er brauchte diese Armee für lange Zeit, weil er ständig von Feinden angegriffen wurde. Aber in letzter Zeit steht die Armee überwiegend ungenutzt herum, ein Verbündeter hat dem Staat die Kämpfe abgenommen und alle Feinde besiegt. Warum sollte der Staat diese Armee nun weiter finanzieren?! Er wird es nicht, er wird sie Stück für Stück wegrationalisieren. Als Pazifist finde ich das zwar wunderbar, aber auf den menschlichen Körper bezogen sehe ich eine große Gefahr. Denn hier macht unser Finanzbeamte genau das gleiche. Die Armee ist die Muskulatur und die Feinde sind die Alltagsbelastungen. Die einzige Möglichkeit die Alltagsbelastungen vollkommen zu vermeiden wäre es, sich in eine Gummizelle einzusperren. Das kann aber nicht der Sinn des Lebens sein und so kommen trotz der ganzen Alltagshilfen immer mal wieder Situationen auf uns zu, die uns körperlich fordern. Bzw. sie würden uns fordern. Aber da wir unsere Armee-Muskeln nicht ab und zu geprobt haben sind wir nicht auf sie vorbereitet und daher überfordert, statt gefordert.   


Fucking comfortzone! & Superkompensation

Komfortzone? Klingt doch super! Ist es auch =) mit Komfortzone ist gemeint, dass der Körper für die gebotenen Belastungen gewappnet ist und von diesen nicht überfordert wird. Ein Zustand, den wir ja gerne so häufig wie möglich im Alltag haben wollen. Wer sich schon mal mit Trainingslehre beschäftigt hat, wird bereits mit den Begriffen Homöostase und Superkompensation konfrontiert worden sein. Homöostase ist mit dieser Komfortzone in etwa gleichzusetzen. Homöostase bedeutet Zellgleichgewicht, die Autoregulationsfähigkeit des Körpers alles im Gleichgewicht zu halten. Wird der Körper auf irgendeine Art und Weise aus diesem Gleichgewicht gebracht (z.B. Training) ist er bemüht alles wieder so auszugleichen, wie es vorher war. Er hat aber eine clevere und nützliche Angewohnheit dabei. Bringe ich den Körper durch eine außergewöhnliche Belastung aus dem Gleichgewicht, regeneriert er sich etwas über das Ausgangsniveau hinaus - quasi als Puffer für das nächste Mal. Diesen Vorgang bezeichnet man als Superkompensation: Es wird nicht nur kompensiert, sondern noch darüber hinaus also super-kompensiert. Dank dieses Effektes ist es uns möglich unsere Leistungsfähigkeit zu verbessern. Ich trainiere, mein Körper legt einen Puffer an, ich trainiere wieder, etc.etc….. Aber warum denn dann jetzt "Fucking Comfortzone"?! Na weil sie mal wieder beweist, dass der Körper nichts tut, ohne den entsprechenden Reiz zu bekommen. Das "Prinzip des Trainingswirksamen Reizes" schlägt hier in dieselbe Kerbe. Um eine entsprechende Superkompensation auszulösen brauchen wir auch einen Reiz, der den Körper zu dieser Anstrengung zwingt. Halten wir uns permanent in unserer Komfortzone auf, erzeugen wir diesen Reiz nicht und der Körper passt sich nicht an. Zeigen wir unserem Körper jedoch, dass seine momentane Leistung für unseren Anspruch nicht reicht, dann bleibt ihm nichts Anderes übrig, als sich für das nächste Mal vorzubereiten. Das bedeutet für ein Aufbautraining, dass wir unsere Muskulatur gewissermaßen überfordern müssen, denn sonst bekommt der Muskel ja die Information "Alles klar mein Lieber, deine Leistungsfähigkeit reicht total aus - kein Grund aufzustocken." 


Immobilisation ist Körperverletzung & Achtung Sulfatbrücken

 Haben Sie schon mal einen Hasen mit Brille gesehen? Ok, den Spruch kennen Sie wahrscheinlich, aber haben Sie schon mal einen Hasen mit Gips gesehen?! Wohl nicht, liegt allerdings nicht an den Karotten. Der Hase weiß einfach ziemlich intuitiv, wie er mit einem gebrochenen Lauf umzugehen hat. Entlasten, Humpeln, vorsichtig mal drauf - autsch zu früh! Und Stück für Stück - Tag für Tag - kann der Hase wieder mehr Gewicht auf seinen Lauf bringen. Wir sind hier auch wieder beim Thema "Use it or Loose it", denn das gilt auch für den Wiederaufbau. Es bedarf es eines guten Grundes etwas wiederaufzubauen, denn das kostet viele Ressourcen. Dasselbe gilt auch für einen lebenden Organismus. Der gebrochene Knochen und der Verletzte Muskel werden gründlich auf ihre Notwenigkeit hin geprüft. Und wenn der Körper feststellt, dass es auch ohne geht wird er sich seine Ressourcen sparen. Wenn wir uns also für mehrere Wochen einen Gips oder eine Schiene anlegen lassen, einen Teil unseres Körpers also immobilisieren, dann geben wir dem Körper keinen Reiz sich wieder vollständig Belastungsfähig zu machen. Nach einer Verletzung ist es das A&O sich anhand der Körperfunktionen, also hier besonders der Wundheilung zu orientieren. Über das Thema Wundheilung lässt sich unfassbar viel erzählen. Grob zusammengefasst: 

 

  

 

1.       Exsudationsphase 24-48 Std. 

 

a.       Entzündungsphase. Hier geschieht hauptsächlich Bio-Chemie. Es ist vergleichbar mit den Löscharbeiten der Feuerwehr und Rettungskräften (Immunsystem) beim Zusammenbruch eines Hauses. Belastung wäre hier wie Schaulustige, unnötig und wahrscheinlich eher behindernd.  

 

1.       Proliferationsphase bis zum 28. Tag 

 

a.       Nach der Bio-Chemiebombe an der verletzen Stelle fängt der Körper nun an seine Strukturen wiederaufzubauen. Feuerwehr & Co. geben den Bauarbeitern (Fibroblasten) nun das Go für die Neustrukturierung. Erste - noch nicht vollkommen belastungsfähige Balken werden eingezogen und verspachtelt. 

 

1.       Remodulierungsphase 

 

a.       Steht die Grundstruktur, werden die provisorischen Balken und Mauern durch festere Verbindungen ersetzt. Jetzt geht es um die Inneneinrichtung. 

 

  

 

Ich möchte mich hier nur auf den größten Irrglauben konzentrieren. Die Kollagenfasern, also die Balken, die von den Bauerarbeitern, also Fibroblasten, produziert werden verbinden sich zunächst mit Wasserstoffbrückenbindungen. Diese Verbindungen sind noch nicht endgültig stabil, es sind eher Probe-WGs oder sagen wir einfach Verlobungen. Erweisen sich diese Verlobungen als stabil, heiraten die beiden Kollagenfasern mit Hilfe einer Sulfatbrücke. Diese Verbindung ist katholischer als der Papst, also absolut untrennlich, es würden eher die Kollagenfasern kaputtgehen, als diese Verbindungen. Soweit kein Irrglaube, die Meisten sind sich hier absolut einig. Leider interpretieren viele diese Sulfatbrückenbildung als Startschuss für die Belastungsfähigkeit. Das ist ja auf den ersten Blick auch verständlich, denn ab hier sind die Kollagene fest miteinander Verbunden und das Ganze ist stabil.  

So wie Sie jetzt vermutlich auch, haben die Menschen mit dieser Meinung aber einen entscheidenden Punkt dieses Vorgangs und auch in im meinem Text oben überlesen. Daher will ich ihn nochmal wiederholen: "Erweisen sich diese Verlobungen als stabil, heiraten die beiden Kollagenfasern mit Hilfe einer Sulfatbrücke." Was entscheidet nun, ob eine Verlobung stabil ist oder nicht? Die Antwort ist so leicht wie kompliziert. Denn es ist ein einfaches "Versuch macht klug"-Prinzip, also Ausschlussprinzip. Alle nicht stabilen Verlobungen halten der gebotenen Belastung nicht stand. Übrig bleiben die stabilen und diese dürfen dann auch heiraten, sprich eine Sulfatbrücke ausbilden. Dieses Vorgehen bedingt aber des Angebotes gewisser Belastungen. Sprich testen wir nicht ab und zu unsere Kollagenverlobungen, dann heiraten auch die eigentlich nicht stabilen und wir haben am Ende ein Bindegewebsknäuel-Wirrwarr, statt einer gutstrukturierten Bindegewebsmatrix. Diese ist für eine richtige Belastungsfähigkeit unabdingbar. Das komplizierte daran ist die richtige Mischung aus Be- und Entlastung zu finden. Dies bedeutet viel Erfahrung und ein gutes Körpergefühl. U.a. dank einer übervorsichtigen Schulmedizin haben wir dieses Körpergefühl - unsere natürliche Intuition leider größtenteils verlernt. 


Was ist Schmerz? & Immobilisation jetzt aber dann doch!!

Beim Thema Hasengips kommen wir zu einem weiteren wichtigen Thema: Was ist eigentlich Schmerz? Und: Sollten wir Schmerzen unterdrücken? 

 

Denn woher weiß der Hase, wann er seinen Lauf wieder belasten darf? Schluckt er erstmal 2 Wochen lang morgens, mittags, abends `ne Schmerztablette? Das wäre Fatal für den Hasen, denn dann würde er nicht spüren, wie weit seine Verletzung verheilt ist. Er geht hier nicht komplett intuitiv vor, er sagt sich ganz einfach: "Probieren geht über Studieren." Er belastet den Lauf vorsichtig und dieser gibt ihm eine von zwei möglichen Antworten:  

 

1. Kein Schmerz! Versuch ein bisschen mehr.  

 

2. Schmerz! Noch nicht, weiter entlasten.  

 

Würde sich der Hase jetzt von morgens bis abends mit Schmerzmitteln vollpumpen könnte er nicht mehr mit seinem Lauf kommunizieren und würde sich entweder total unter- oder überfordern. Und Beides ist ungefähr gleich fatal!! Klar, die Folgen einer Überforderung liegen auf der Hand, erneuter Bruch. Aber auch eine Unterforderung kann eben fatale Folgen nach sich ziehen. Denn wie wir inzwischen gelernt haben macht der Körper nichts, was nicht nötig tut. Woher weiß der Körper jetzt, dass der Lauf möglichst schnell zu heilen hat?! Na woher weiß der Bizeps, dass er zu wachsen hat?! Wenn man ihm mit einem Widerstand zeigt, dass das was er kann nicht ausreicht #Superkompensation. Er hat daraufhin den Reiz seine Kraft zu steigern. Und so zeigt auch der Hase dem gebrochenen Lauf regelmäßig, dass er ihn noch braucht. Und so funktioniert es eben auch beim menschlichen Rammler, denn: 


"Form follows function" & "Funktionelles Training, oder nicht?!"

Das bedeutet in etwa: "Die Körperstruktur wird beeinflusst durch die Art und Weise, wie wir den Körper benutzen." Ich möchte hier etwas ausholen und kurz über den Trainingshype "Funktionelles Training" schreiben. Was ist denn eigentlich dieses "Funktionelle Training" von dem momentan Alle behaupten, sie täten es? Ok die Meisten, die das behaupten trainieren ohne Geräte, also die großen schweren unbeweglichen Geräte. Sie hängen stattdessen in irgendwelchen Schlingen (Slingtrainer), machen uralte Gymnastik-Bodenturn-Übungen alla Turnvater Jahn, oder schleudern immer neue Kleingeräte wie Kettlebells & Co. durch die Gegend. Und bevor hier einigen der Kragen platzt: Ja das ist doch wunderbar! Großgeräte grenzen an Körperverletzung und ich liebe das Funktionelle Training! (Nicht umsonst arbeite ich als Dozent für "Functio - Institut für funktionelle Therapie und Sportmedizin".) Aber auch in diesen Zertifikatskursen diskutiere ich regelmäßig den Begriff "Funktionell" mit u.a. Sportwissenschaftlern und Physiotherapeuten. Denn was ist die Funktion eines zu trainierenden Muskels? Nehmen wir mal das Gerät "Leg Extension" hier wird der vordere Oberschenkelmuskel trainiert. Bei fixiertem Oberschenkel wird der mobile Unterschenkel gegen einen Widerstand in die Streckung bewegt. Das entspricht der Lehrbuchdefinition der Funktion des M. Quadrizeps femoris - überprüfen Sie dies gerne im nächsten Anatomieatlas. Die meisten Menschen trainieren um fit und belastbar zu sein; Belastbar für den Alltag. Aber ist das dann wirklich die zu trainierende Funktion dieses Muskels? Beim Funktionellen Training geht es grundlegend darum, die Muskulatur in ihrer Alltagsfunktion zu trainieren. Der M. Quadrizeps femoris hat im Alltag nämlich eine ganz andere Funktion! Ja gut, Kniestreckung ist es trotzdem, aber eben nicht mit beweglichem Unterschenkel! Dieser ist auf dem Boden fixiert und der Körper bewegt sich über diesem fixierten Fuß/Unterschenkel. Bei einem sinnvollen Training sollten wir niemals nur die Muskulatur trainieren! Sondern auch Gehirn, Nerven, Faszien, Bänder, Knorpel, Knochen, etc. Und für diese Körperteile ist es ein immenser Unterschied, ob ich die Leg-Extension mache, oder eine Kniebeuge. Und jetzt nochmal die dumme Frage an Sie: Was tue ich häufiger? Bei Edeka die Bierkiste an der Kasse vortreten, oder Stehen/Gehen/Treppe steigen/Hocken/etc.?!


Ein Starker Rücken kennt sehr wohl Schmerzen! & Lieber Kiesel-Steine statt Kieser-Training!

"Großgeräte grenzen an Körperverletzung". Das ist ein Satz aus dem letzten Text über "Form follows function". Einigen Fitnesstudiogängern wird der Satz bitter bis sauer aufgestoßen sein. Und besonders Kiesertrainingsjüngern ist der Satz mehr Brett vorm Kopf als Dorn im Auge. Im Text dazu konnte ich hoffentlich vermitteln, warum eine Kniebeuge sinnvoller ist, als die Leg-Extension und warum es sinnvoller ist, Kettlebells durch die Luft zu schleudern, als im Rückenstrecker aus einem krummen Rücken einen geführten Widerstand zu stemmen. Aber warum die Leg-Extension sogar gefährlich sein kann, ist wahrscheinlich noch nicht ganz klargeworden. Daher jetzt nochmal ein etwas ausführlicheres Plädoyer gegen Großgerätetraining. Die meisten Großgeräte (damit meine ich alle Geräte, die einen festen Drehpunkt und eine einachsige, geführte Bewegungsachse haben) sind gut bis sehr gut geeignet in der Kategorie Krafttraining für einen Muskel oder eine Muskelgruppe. Dass jenes aber nicht ausreicht, um für den Alltag zu trainieren, möchte ich hier noch mit dem Gestaltenkreis erklären. Ein Training für den Alltag bedeutet nämlich immer ein Auseinandersetzen mit der Umwelt. Ich agiere in der Umwelt, beeinflusse diese, dadurch verändert sich die Umwelt und diese beeinflusst dann wieder meine Bewegung. Diese Veränderung der Umwelt findet in einem geführten Krafttrainingsgerät kaum bis gar nicht statt und bereitet deswegen nicht ausreichend auf die Alltagsbelastungen vor. Zusätzlich gibt es einige Geräte und zwar insbesondere die Leg-Extension, den Rückenstrecker und die Bauchmaschine, die absolut pathologische, also schädigende Scherkräfte hervorrufen, die es im Alltag so nicht gibt. Denken Sie bitte an "Form follows function" der Körper passt sich den Belastungen an, die wir ihm bieten. Sitze ich nun häufig genug im Rückenstrecker, denkt mein Rücken, diese geführte Bewegung sei seine Funktion. Er verabschiedet sich also von allen bewegungskorrigierenden Muskeln und Funktionen, baut sein Bindegewebe um und verstärkt die bewusst abrufbare Kraft. Damit haben wir die Grundlage für das wohl wichtigste Argument: Verschiedene Muskeln mit verschiedenen Aufgaben… 


Rot vs. Weiß & Bewusst die Bandscheibe raushauen

Es gibt im Körper viele verschiedene Arten von Muskulatur. Die einen sehen eher rot aus, die anderen eher weiß. Es gibt noch viele Mischtypen, aber schauen wir uns die beiden Extreme an, dann verstehen wir auch alles dazwischen. Rote sind deswegen rot, weil sie gut durchbluteten werden. Sie sind ausdauerfähig und werden überwiegend bewusst angesteuert. Es sind eher oberflächige, große, mehrgelenkige Muskeln wie der Bizeps am Arm oder die großen Rückenmuskeln. Weiße Muskeln sind für schnelle eher bewegungskorrigierende Aktivitäten zuständig. Sie brauchen keine permanente Blutversorgung, da sie nur kurz und überwiegend ohne Sauerstoff arbeiten. Diese Muskeln werden überwiegend unwillkürlich aktiviert, also unbewusst. Sie sind besonders aktiv, wenn wir auf externe Reize reagieren müssen, sprich einen Ausfallschritt machen oder angerempelt werden oder auch uns einfach nur gegen die Schwerkraft erwehren - sprich auf einem Bein stehen / Balancieren. An der Wirbelsäule sprechen wir hier oft von der Tiefenmuskulatur. Der entscheidende Unterschied für das Training liegt hier in der Ansteuerung. Wie gesagt können wir unsere Tiefenmuskulatur, also die Weiße, nicht bewusst ansteuern. Sie reagiert auf die Reize, die wir von der Umwelt bekommen #Gestaltenkreis. In einem Großgerät wie z.B. dem Rückenstrecker trainiere ich aber nur die sog. Efferenz (die untere Hälfte des Gestaltenkreises, also das was vom Körper in die Umwelt geht) nicht jedoch die weiße Muskulatur stimulierende Afferenz. Und das kann gefährlich werden! Denn wenn ich nur die Muskulatur, und davon auch nur die rote, trainiere, ist der restliche Körper, also Koordination, Gelenke, Bandscheiben, etc., eben nicht trainiert. Und vor allem die weiße Muskulatur döst so vor sich hin und ist viel zu träge, um auf eine evtl. kommende echte Belastung reagieren zu können. Und so schießen wir uns letztlich ganz bewusst die Bandscheiben raus, wenn wir ständig rot trainieren, unsere tatsächlichen verletzungsprophylaktisch fungierenden Strukturen vernachlässigen und uns dann nach einer Briefmarke bücken.


Body vs. Maschine oder Die unnötige Angst vor dem "Reifenstreifen"

Wer sein Rad liebt, der schiebt! Korrekt und wer seine Beine liebt, der läuft! Wenn ich mein Fahrrad ordentlich auf Vordermann bringe und es gut gepflegt für den Winter in den Keller stelle, dann hole ich es im Frühjahr unverändert wieder hervor. Würde ich das mit meinen Beinen machen, könnte ich sie gleich wegschmeißen. Die Themen "Form follows function" und "use it or loose it" hatten wir ja schon. Ich möchte hier nur nochmal darauf zu sprechen kommen, woher dieser Irrglaube des heiligen Schonens evtl. kommt. Denn bei Geräten und Maschinen ist das ja absolut nachvollziehbar. Ein Auto, dessen Motor 200.000 km runter hat darf halt auch schon mal mucken. Bremsen sind nach so und so vielen km bzw. Bremsvorgängen durch. Lampen haben eine gewisse Lebensdauer. Doch wieso gilt für meinen Toaster hier, was für mein Knie nicht gilt? Haben Sie schon mal eine Bremsanlage gesehen, die ihre Reibungsfläche selbstständig regeneriert? Einen Motor, dessen Außenwand sich nach einer gewissen Zeit vollkommen erneuert hat? Das wäre ja mal was! Und genau so etwas Tolles passiert sekündlich in unserem Körper. Ein Blutgefäß lebt etwa 7 Tage. Bindegewebe etwa 300-500 Tage und Knorpel etwa 80 Jahre. An dieser Stelle komme ich nicht darum herum mich deutlich zu wiederholen: Use it or loose it! Der Körper ist um so vieles cleverer als die meisten Maschinen, denn er merkt nicht nur, wenn ein Teil nicht funktioniert, er kann es sogar selbstständig reparieren - die Arbeitslosigkeit für jeden Maschinenbauer. Aber er wird dies eben nur tun, wenn er es für nötig empfindet. Hätte mein Fahrrad diese tolle Fähigkeit - Nutzer, TÜV, Reparateur, Ersatzteillagerarbeiter, und eben Finanzbeamter in sich zu vereinen - dann würde ich statt meines Fahrrads im Frühling einen Zettel mit "Fahrrad wurde nicht mehr gebraucht, habe Sitzfleisch draus gemacht." vorfinden. Der tolle Begriff der Abnutzung und der kleine aber feine Unterschied zwischen Mensch und Maschine führen hier zu dem Irrglauben, dass Schäden wie Arthrose & Co. eine Folge von Überlastung sind. Wir fahren unsere Autoreifen bis die gefürchtete Linie uns anzeigt, dass der Reifen abgenutzt ist und wir ihn ersetzen müssen. Besonders vorsichtige und sparsame Fahrer fahren die Reifen so wenig wie möglich und so belastungsarm wie möglich, damit die Linie so spät wie möglich kommt. Bei unserem Körper erwarten wir das Gleiche. Irgendwann kommt die Linie an der er abgenutzt ist und ersetzt werden muss. Deswegen versuchen wir ihn so wenig wie möglich zu belasten, damit "die Linie" so spät wie möglich kommt.  

 

Leider empfehlen das auch immer noch einige Kollegen im Gesundheitssystem. "Bei Arthrose keine Treppen gehen, Gehen in unwegsamen Gelände vermeiden und sich am besten so wenig wie möglich belasten". Sie nehmen damit dem Patienten die Beschwerden, aber es wird nicht lange dauern bis die Belastungsfähigkeit soweit abgenommen hat, dass die Beschwerden dann auch im Alltag auftreten. Beim Gehen zum Supermarkt, beim Gehen in der Wohnung. Und dann? Bettlägerigkeit? Der Körper wird eben nur erhalten, was von ihm gefordert wird. Er passt sich seinen Lebensumständen an und je mehr ich mich einschränke, je mehr Belastungen ich aus dem Weg gehe, desto mehr wird mein Körper wegrationalisieren und desto weniger bin ich in der Lage zu tun. Ein Tipp für alle, die sich mit 30 oder 40 hinter einen Rollator klemmen: Kauft euch doch den Sarg gleich mit! Das ist natürlich etwas übertrieben, aber bei dem Thema geht die Leidenschaft mit mir durch, Sie mögen es mir verzeihen!  

 

Und nun noch zwei wichtige Punkte, bevor sie vom Balkon springend schreien: "Wenn ich das jetzt nicht tue werde ich es bald nicht mehr können!" Selbstverständlich resultieren akute Verletzungen aus Überlastungen! Da wären wir wieder beim gefährlichen Briefmarkenaufheben. Das kann zu einer Überlastung führen, wenn ich sonst nur im Bett liege und sämtlichen Belastungen aus dem Weg gehe! Ein vernünftiges Training und Üben von belastenden Situationen, ein erlernen und regelmäßiges Erhalten von Körperfunktionen ist der Schlüssel zu einer guten Belastungsfähigkeit.